Siedlungsfunktionen kompakt – Das Munizipalviertel in Berlin-Weissensee

Mit der heute als „Gemeindeforum am Kreuzpfuhl“ bezeichneten Siedlungsarchitektur in Berlin-Weissensee entwarf der Architekt Carl-James Bühring (1871-1936) ein Viertel im damaligen Vorort, das sämtliche städtische Funktionen baulich fassen sollte. Aus diesem Anspruch heraus wird es auch „Munizipalviertel“ (munizipal=eine Stadtgemeinde betreffend) genannt.

Um 1900 wirkte sich die Stadterweiterung der Berliner Kernstadt zunehmend auf die umliegenden Gemeinden aus. Trotz einer baulichen Forcierung der Berliner Stadtplanung in Richtung Westen, rückte auch der Vorort Weißensee mit Ausbau der elektrischen Straßenbahnlinien in den Fokus.

Ab 1905 plante der neue Gemeinderat Carl Woelck den Ausbau des Ortes zur Erlangung des Stadtrechts und holte sich hierfür den Architekten Carl James Bühring als Baurat an seine Seite. Dieser entwickelte gestalterisch auf dem Grundstück eines ehemaligen Rittergutes eine idealtypische Stadtanlage mit Gebäuden für alle lebensnotwendigen Funktionen.

Denkmalkarte Berlin

Gemeindeforum

Angelegt wurde diese ab 1907 rund um den Kreuzpfuhl als einer Art „Dorfanger“. Gebaut wurden zentrale Gemeindebauten wie
– Schule (Woelckpromenade 38, heute Primo-Levi-Schule,
Stadthalle (im Zweiten Weltkrieg zerstört) mit Restaurant (Pistoriusstr. 23, heute Frei-Zeit-Haus),
– Bibliothek, Pumpwerk (Pistoriusstr. 127/128),
– Bäckerei (Pistoriusstr. 16) und
– Verwaltungsgebäude (Pistoriusstr. 24, 24a-b) an.

Wohnen für Ledige und Familien

Weissensee8Die Gebäude sowie weitere Wohnhäuser und ein Ledigenwohnheim stehen heute unter Denkmalschutz. Bühring setzte im Reformstil mit Fassaden in Anlehnung an die märkische Backsteinarchitektur einen ganzheitlichen Siedlungsentwurf um. Ein Feuerwehrhaus, das die Gemeindebauten sinnvoll ergänzt hätte, wurde nicht mehr verwirklicht.

In der Literatur findet wiederholt Erwähnung, dass sich die Planer zukünftige Bewohner und Nutzer mit „hohen Ansprüchen“ vorstellten. So verwundert nicht, dass die gestalterische Umsetzung auch künstlerische Details wie abgesetzte Fensterrahmen, betonte Tordurchgänge und Fassadengliederung umfasste.

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Straßenfassade in der Woelckpromenade 22-34

Gebäude Woelckpromenade 37/Paul-Oestreich-Str. 1

Gebäude Woelckpromenade 37/Paul-Oestreich-Str. 1

Die von Bühring noch entworfenen und umgesetzten Wohngebäude in der Woelckpromenade 35-37/Paul-Oestreich-Str. 1-4 ergänzte in den 1920er Jahren der Architekt Joseph Tiedemann (1884-1959) mit dem sogenannten Holländerviertel zur Schönstraße hin (1924-29). Er schloss damit die als Eingangssituation zu einer Siedlung begonnen Gebäude sinnvoll zu einem weitläufigen Innenhof mit verschiedenen Ebenen für Spiel- aber auch Müllplatz.

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Das Ergebnis ist eine Wohnanlage mit hohem Grünanteil, einem großzügig angelegten Innenhof und guter Durchwegung. Viele Wohnungen verfügen über auch als gestalterisches Element eingesetzte Balkone.

Links
Denkmaldatenbank des Landes Berlin
Joachim Bennewitz, Die Stadthalle in Weißensee, Berlinische Monatsschrift 1998. (Onlineartikel)
Wikipedia-Artikel zu Carl James Bühring