Zeichnung einer idealisierten sozialistischen Gesellschaft

Das rote Lyon

Paris ist meine erste große Liebe unter den Städten, nach Lyon kam ich dann durch einen Zufall. Ein sehr schöner Zufall, da die Stadt mir vorher nicht viel sagte. Beide sind „sehr französische“ Städte und doch fühlt sich das Leben in Lyon entspannter an. Die Metropolregion „Grand Lyon“ steht unter den französischen Städten touristisch weniger im Fokus als Paris, Marseille, Toulouse und andere. Lyon ist eine Stadt, in der gelebt und der Alltag deutlicher sichtbar wird. Es ist die Stadt von Paul Bocuse und das merkt man sofort, nicht zuletzt in der nach Frankreichs berühmtesten Koch benannten Markthalle. Der „Lyonnais“ liebt das Essen!

Les Halles de Lyon

Eingangsbereich der Markthalle von Lyon mit Parkhaus im HintergrundMitten im Geschäftsviertel hinter der Gare de Lyon gelegen, ist die Markthalle sichtbarer Ausdruck der modernen Stadtplanung in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Von einer Wohnscheibe und einem, wie aufeinander gestapelte Ufos anmutenden, Parkhaus flankiert, kann man in den Hallen in den kulinarischen Genüssen schwelgen, die Frankreich zu bieten hat. Pâtisserie, Obst & Gemüse, Fleisch & Fisch, wer hier nicht kostet, dem ist nicht mehr zu helfen. Selbstverständlich ist sie nicht die einzige Markthalle in Lyon.

Les fresques

La fresque des Lyonnais - Brüder Lumière

La fresque des Lyonnais – Brüder Lumière

Die Fassadenmalerei ist ein besonderes Merkmal, das in den Straßen immer wieder auftaucht. So widmete die Stadt ihren einflussreichsten und bekanntesten Bürgern an einem Haus am Ufer der Saône eine geniale Wandmalerei, die aus einer fenster- und schmucklosen Fassade ein wahres Kunstwerk machte. Plattenbaufassaden werden auf diese Weise überall in der Stadt ebenso verschönert, wie gesellschaftlichen Utopien ein bildhafter Ausdruck verliehen.

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Etatsunis_Wandbild2Le Quartier des États-Unis – 1922-34

Das „Amerikaviertel“ in Lyon wurde in den 1930er Jahren von dem Architekten Tony Garnier entworfen und geplant. In seiner Architektursprache zeigt es wunderbar den Übergang vom Wohnungsbau des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hin zum industriellen Massenwohnungsbau, der für Europa nach 1945 prägend werden sollte. „La cité industrielle“ war das erklärte Ziel von von Politikern und Stadtplanern. Illustriert wird diese Utopie mit Wandmalereien im Quartier, die zeigen, welches Gesellschaftsideal hier gebaut werden sollte. Das Titelbild dieses Beitrags zeigt die großzügige Raumsituation eines Verkehrsplatzes.

Etatsunis_MusterwohnungIn der „cité“ wird Interessierten durch das „Musée urbain Tony Garnier“ die Möglichkeit geboten, sich eine der Wohnungen mit original gedachter Einrichtung anzusehen. Rechts ist ein Foto der Fassade zu sehen, Teil der Musterwohnung ist der offene Balkon. An dieser Ansicht lässt sich zudem die bauliche Veränderung nachvollziehen, die wesentlich in den 1980er Jahren vorgenommen wurde und der Siedlung ein völlig neues Antlitz verlieh. Von der Innenausstattung habe ich leider keine Fotos, aber viel interessanter finde ich die Raumaufteilung, wie ich sie hier nachskizziert habe. Für 6-8 (!) Personen wurde hier eine 56 m² Wohnung geplant, die sich um einen zentralen Wohnbereich gruppiert, der nahezu von allen Räumen zugänglich ist und an den sich der Balkon anschließt. Neben einem relativ großzügig bemessenen Flurbereich ist auch bereits ein innenliegendes Bad mitgeplant worden.

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Für weitere Informationen zum Quartier hier ein Link zum Wikipedia-Artikel

Das rote Lyon

ConfluenceDie Stadt Lyon hat historisch eine lange Tradition in der Prägung durch Arbeiterschaft und industrielle Produktion. Der Aufstand der Seidenweber begann nicht ohne Grund im Quartier „Croix Rousse“. Die auf der Arbeitertradition beruhende gesellschaftspolitische Ausrichtung spiegelt sich insbesondere im Wohnungsbau des 20. Jahrhunderts wieder. Stadtpolitiker, die für die Arbeiterschaft Wohnraum bauen wollten, orientierten sich an den gemeinschaftsorientierten Leitbildern der sozialen Reformer. Im Mittelpunkt standen die Wohnung und das Quartier als Regenerationsort in einer industriell geprägten Gesellschaft. Spannende bauliche Zeugnisse, die die Entwicklungen vom frühen 20. bis ins 21. Jahrhundert aufzeigen, finden sich überall in der Stadt. So auch in dem am Zusammenfluss von Rhône und Saône neu entstehnden Quartier Confluence.

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